Chemtrailfantasien, Reichsbürgerideologie, Impfgegnertum, Israelhass. Dieser Blumenstrauß an Verschwörungstheorien und Vernichtungsfantasien ist elementarer Bestandteil der Kleinpartei „Deutsche Mitte“. Seit Neuestem finden nun auch in Oldenburg Stammtische dieser Partei statt. Ein Oldenburger Aktivist brüstet sich damit, über Schusswaffen zu verfügen.
Stammtisch der „Deutschen Mitte“ am 14.03.2017 im Oldenburger Ratskeller. Bildmittte (4.v.r.): Dieter Wolter aus Oldenburg. Rechts daneben: Marion Kleeßen aus Großenkneten
Die „Deutsche Mitte“ (DM) wurde 2013 von dem bekannten Verschwörungsideologen Christoph Hörstel gegründet. So verwundert es nicht, dass die Partei in ihrem Programm offiziell verlautbaren lässt, dass die Bundesrepublik Deutschland in Ermangelung eines Friedensvertrags kein souveränder Staat sei. Neben dieser These, auf der die Ideologie der sogenannten „Reichsbürger“ aufbaut, geht es um den Austritt aus dem Euro, den Kampf gegen die „Gleichmachung der Geschlechter“ sowie das Beenden einer vermeintlichen „Welle der Zuwanderung“, wie es in einem Werbeflyer für die Partei heißt. „Die weitaus meisten Zuwanderer“ sollen nach dem Willen der DM „heimkehren“.
Skurril wird es, als ein „Verbot der künstlichen Beeinflussung der Atmosphäre“ gefordert wird. Hier wird sich auf die beliebte Verschwörungstheorie bezogen, nach der die Kondensstreifen von Flugzeugen Chemikalien versprühen würden.
Darüber setzt sich die DM für die antisemitisch konnotierte Abschaffung von Zinsen sowie die ebenfalls strukturell antisemitische Zurückdrängung der „globalen Finanzkartelle“ ein.
Bei Betrachtung dieser Theorien verwundert es dann auch nicht, dass die Partei eine feindliche Haltung gegenüber dem Staat Israel einnimmt. Ziel der Partei ist laut Programm die Unterstützung der „Einheit aller Palästinenser ohne Benachteiligung des Gazastreifens“ sowie der Terrororganisation Hamas, die in ihrer Charta das erklärte Ziel formuliert hat, Israel auszulöschen. Nur logisch, dass sich die „Deutsche Mitte“ auch positiv auf die israelfeindliche Boykottkampage „BDS“ bezieht.
Köpfe der Partei
Gründer der Partei ist der ehemalige Fernsehjournalist Christoph Hörstel. Der 61-jährige ist seit langem ein bekannter Protagonist in der Verschwörungsszene. Für einen Eklat sorgte er im Jahr 2006, als er Kontakte zwischen der Hamas und Bundestagsmitgliedern der SPD und FDP vermitteln wollte. Im Zuge dessen verharmloste Hörstel gegenüber Spiegel Online den Terror der Hamas mit den Worten:
„Israel steht in Palästina, nicht Palästina in Israel. Welche Waffen haben denn die Palästinenser, um sich unter vertretbaren Verlusten zu wehren? Ich bin gegen Terrorattentate. Ich erkenne aber an, dass die Palästinenser kaum andere nennenswerte Mittel haben. Insofern verurteile ich die Hamas nicht“.
2012 beriet Hörstel die auch parteiintern umstrittene „Arbeitsgruppe Friedenspolitik“ der Piratenpartei. Auch dort dürfte er seine sypathisierende Haltung gegenüber dem Iran geäußert haben. Die „Deutsche Mitte“ fordert das Ende aller Embargos sowie die Zusicherung des Rechts auf die „Entwicklung eines friedlichen Atomprogramms“. Dass Atomtechnologie in den Händen des Irans eine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel darstellt, dürfte die Vertreter*innen der „Deutschen Mitte“ nicht weiter stören.
Christoph Hörstel trat in der Vergangenheit immer wieder bei einschlägigen Veranstaltungen auf. Unter anderen redete er auf dem antisemitischen „Al Quds-Tag“ in Berlin, bei einer „Endgame“-Kundgebung in Hannover sowie bei einer Konferenz der „Anti-Zensur-Koalition“ des Sektengründers Ivo Sasek. Neben der Verbreitung von Verschwörungstheorien aller Art dient diese Konferenz auch immer wieder dafür, die Shoah, den industriellen Massenmord an Jüd*innen zu leugnen. So nahmen mit Bernhard Schaub und Sylvia Stolz prominente Holocausleugner*innen an den Konferenzen teil. Auch der bekannte Oldenburger „Chemtrail“-Ideologe und ehemalige Mitstreiter in einem „Reichsumweltministerium“ Werner Altnickel referierte dort schon.
Ein Blick lohnt auch auf den „gesundheitspolitischen Sprecher“ der Partei, Hans Tolzin aus Schwäbisch Hall. Über den gelernten Milchwirt sind keinerlei medizinische Qualifikationen bekannt, was ihn jedoch nicht daran hindert, als Impfgegner und AIDS-Leugner in Erscheinung zu treten. Der Befürworter der „Germanischen Neuen Medizin“ nach Ryke Geerd Hamer ist darüber hinaus der Meinung, dass Homosexualität „heilbar“ sei.
Dementsprechend fordert die „Deutsche Mitte“ im Gesundheitsbereich den Einsatz von „natürlichen Methoden“ gegenüber „überteuerter Kartellmedizin“. Auch Tolzin sprach schon auf der Konferenz der „Anti-Zensur-Koalition“.
Der Oldenburger Ableger
Nun wollen sich also auch in Oldenburg Sympathisant*innen dieser Partei organisieren. Es fanden bereits mindestens drei Stammtische in welchselnden Lokalitäten in der Oldenburger Innenstadt statt.
Initiator des ersten Stammtischs war der niedersächsische Landesvorsitzende der „Deutschen Mitte“: Mathias Lenz. Für den letzten Stammtisch rührte Marion Kleeßen aus Großenkneten (Landkreis Oldenburg) die Werbetrommel. Kleeßen bietet auf einer Homepage „spirituelle Beratung“ an. Sie behauptet dabei unter anderem, Kontakt mit dem „Jenseits“ und „den Geistwesen“ zu haben und offeriert ihren Kund*innen „Energietransformationen“, „Reinigung der Aura“ sowie „Harmonisierung der Chakren“.
Screenshot der Homepage von Marion Kleeßen aus Großenkneten. Hier findet sich alles, was das esoterische Quacksalberherz begehrt.
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Ebenfalls bei den Oldenburger Stammtischen dabei: Dieter Wolter aus Oldenburg. Wolter gibt auf seiner Facebookseite an, im Bundesvorstand der „Deutschen Mitte“ zu sitzen. Er bezieht sich äußert positiv auf den oben genannten Chemtrail-Ideologen und Reichsbürger Werner Altnickel.
Dieter Wolter wirbt für Werner Altnickel
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In der Kommentarspalte einer Oldenburger Facebookgruppe wies Dieter Wolter darauf hin, als Inhaber eines Jagdscheins über Schusswaffen zu verfügen. Welche Gefahr von Reichsbürger*innen und Verschwörungsideolog*innen, die über Schusswaffen verfügen ausgehen kann, zeigt unter anderen ein Fall im bayrischen Georgensgmünd, in dem ein Reichsbürger einen Polizisten erschoss. Seit dem reagieren Sicherheitsbehörden bundesweit weniger ignorant auf das Problem der bewaffneten Reichsbürger*innen. Ob die Behörden auch Dieter Wolter, dessen Partei Reichsbürgerthesen vertritt, überprüft haben ist nicht bekannt.
Der Oldenburger DM-Aktivist Dieter Wolter prahlt in sozialen Netzwerken damit, über Schusswaffen zu verfügen (Collage aus Facebook-Foto und Screenshot seines Postings)
Zu den Oldenburger Stammtischen, die in wechselnden Lokalitäten in der Innenstadt stattfanden, erschien bislang nicht mehr als eine einstellige Anzahl Personen. Eine feste Parteistruktur scheint hier noch nicht vorhanden zu sein. Der selbstgewählte Slogan der Partei, „Politik geht anders“, lädt zum Schmunzeln ein. Darüber hinaus erscheinen die Inhalte der „Deutschen Mitte“ und ihrer Protagonist*innen auf den ersten Blick wahrlich obskur. Dennoch verbergen sich hinter den wirren Theorien der „Deutschen Mitte“ knallharte autoritäre, antisemitische, sexistische, homo- und trans*phobe, rassistische und esoterische Inhalte. Und ihre Vertreter*innen versuchen sich nun zu organisieren.
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Die „Deutsche Mitte“ hat angekündigt, monatliche Stammtische abhalten zu wollen, und zwar an jedem ersten Sonntag des Monats um 15.00 Uhr. Die letzte Zusammenkunft fand in einem bekannten Café gegenüber vom Julius-Mosen-Platz statt.