Es ist ein Klassiker in neurechten Kreisen: Sobald ihre Vertreter*innen in Diskussionen Gegenstimmen erfahren, beschweren sie sich über eine angebliche „Meinungsdiktatur“, in der sie sich nicht frei äußern dürften. Die Meinungsfreiheit sei abgeschafft, man werde als „Patriot“ unterdrückt. Dies können sie übrigens frei in Kommentarspalten, sozialen Netzwerken und Diskussionsforen äußern.
Dieses offensichtlich falsche Narrativ einer „Meinungsdiktatur“ ist offenbar auch Thema einer Veranstaltung des Literaturhauses der Stadt Oldenburg, die prominent in der Nordwestzeitung beworben wurde.
Die Autorin
So wird am 20.Juni um 11:00 Uhr die Autorin Monika Maron im städtischen Kulturzentrum PFL zu Gast sein. Im Ankündigungstext der NWZ ist bereits in der Überschrift von „Mut und Feigheit“ die Rede sowie von der Frage „was gesagt werden [darf] und was nicht“. Die Autorin spricht in diesem Zusammenhang gar von „Heldentum“. In ihrem Roman geht es um einen Protagonisten, der nach einer „streitbaren politischen Äußerung zwischen Mut und Feigheit entscheiden“ müsse, so die Ankündigung.
Screenshot: Monika Maron im Interview mit dem verschwörungsideologischen Medium „Tichys Enblick“
Quelle: Antifaschistisches Infoblatt
Ist das Bedienen dieses Narrativs ein Zufall? Eine unglückliche Formulierung von einer Schriftstellerin, die dadurch geprägt wurde, in der DDR ihren Debutroman nicht veröffentlichen zu dürfen?
Bei einem genaueren Blick auf den Roman wird deutlich, dass es sich nicht um eine unglückliche Parallele handelt, sondern dass sich die Geschichte exakt entlang der konservativen Feindbilder bewegt. So geht es in dem Buch um die Ablehnung von Gendersternchen, um Solidarität mit einem vermeintlich „entmannten Mann“, einen Freundeskreis, der „Antikrieg-, Antiatom-, antikolonial-, antifaschistisch“ sei sowie um den Islam, dessen „Einzug nach Deutschland“ nach Ansicht der Romanfigur „viel zu wohlwollend kommentiert werde“. Auch die „Denunziation“ von Verschwörungsideolog*innen wird thematisiert.Schlussendlich wird der Weg in ein vermeintlich „Grünes Reich“ befürchtet.
Monika Maron bedient damit die Ressentiments eines Milieus, zu dem sie selbst Verbindungen pflegt. Diese fielen so eindeutig aus, dass ihr langjähriger Partner, der Fischer-Verlag, aus diesen Gründen im Oktober 2020 die Zusammenarbeit nicht verlängerte. Der Verlag äußerte sich damals so: „Man kann nicht bei S.Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert.“
Gemeint ist Marons Essay-Band „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“, den sie im „Buchhaus Loschwitz“ veröffentlichte, einem Verlag der Buchhändlerin Susanne Dagen, die eng mit dem Milieu der sogenannten „Neuen Rechten“ verbunden ist. Dagen war Kuratorin der AfD-nahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ und betreibt ein Youtube-Format mit der prominenten Akteurin Ellen Kositza. Für Monika Maron sei Susanne Dagen eine „alte Freundin“, eine „Oppositionelle“. Diese definiert „Opposition“ offenbar als Kampf gegen eine „Gesinnungsdiktatur“ und ein „Klima zunehmender politischer Anfeindungen“ wie es in einer von Dagen und anderen veröffentlichen „Charta 2017“ heißt.
So verwundert es auch nicht, dass Marons Essay-Band von Götz Kubitschek, Kopf und Stichwortgeber des radikal-völkischen Milieus, vertrieben wird. Auch andere Werke Marons finden sich in Kubitscheks „Antaios“-Verlag. Maron behauptet, Kubitschek läge ihr „fern“ und gegen den Vertrieb ihrer Bücher könne sie nichts unternehmen. Angesichts der ideologischen Schnittmenge darf diese Distanzierung jedoch angezweifelt werden.
Zuletzt trat Maron im November 2020 bei einer Lesung auf, die vom völkischen Historiker David Engels organisiert wurde. Hier sagte sie unter anderem: „Wenn wir sehen, wie sich Afrika in den letzten fünfzig Jahren vermehrt hat und sie immer noch mehr werden und wie der Islam aufrüstet: […] Die wollen haben, was wir auch haben, ohne dass sie es sich selbst wirklich organisieren können“. Sie befürchtet einen „Untergang“, weil „wir uns einfach erobern lassen“.
Es geht also bei Monika Maron nicht um vermeintlich harmlose konservative Positionen. Wir haben es mit einer Person zu tun, die sich bewusst rassistisch äußert und bestens im Milieu der sogenannten „Neuen Rechten“ vernetzt ist.
Der Moderator
Michael Sommer mit Monika Marons Buch
Quelle: Facebook
Kein Zufall dürfte auch die Wahl des Moderators gewesen sein. So soll am 20.Juni während der Veranstaltung im PFL ein Austausch zwischen Maron und einer Vertreterin des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte stattfinden – moderiert von Michael Sommer, Professor für alte Geschichte an der Uni Oldenburg. Sommer dürfte sich selbst wohl nicht als Sympathisant der Strukturen der sogenannten „Neuen Rechten“ bezeichnen, er distanzierte sich auch von der AfD. Jedoch bedient auch er die Positionen dieses Milieus. Bereits im Sommer 2017 schrieb der AstA der Uni in der „kleinen Weltbühne“ über Sommer und seine „antike Wortwahl“, wie es in der Überschrift heißt. Auf seinem Facebookprofil ereiferte er sich seinerzeit über „Altparteien“ und „Gutmenschentum“, über „Islam-Versteher“ und „Masseneinwanderung“. Aktuell geht es auf seinem Facebookprofil häufig gegen die Grünen und die Klimabewegung.
Strategie
Die Debatte um Monika Maron zeigt die Strategie der „Neuen Rechten“. Durch das Wiederholen der Narrative von „Meinungskorridoren“, die man nicht verlassen dürfe sowie einer vermeintlichen „Cancel Culture“ wird die Debatte weg von der inhaltlichen Auseinandersetzung gelegt. Anstatt Diskriminierung zu thematisieren, wird die Diskussion damit geschickt in eine Scheindebatte um eine vermeintliche Ausgrenzung umgelenkt.
Durch dieses Beklagen wird zudem versucht, Gegenrede etwa bei rassistischen, antisemitischen oder antifeministischen Äußerungen zu verhindern und so die Grenze des „Sagbaren“ Schritt für Schritt zu erweitern und menschenfeindliche Positionen somit zu normalisieren. Eine Strategie, die auch von der AfD seit Jahren betrieben wird. Auch die Veranstaltung am 20.Juni um 11:00 Uhr im PFL wird ihr zu Gute kommen und mit Sicherheit entsprechendes Publikum anziehen.