Anfang September dieses Jahres wurde bekannt, dass einer der beiden AfD-Abgeordneten im Oldenburger Stadtrat sein Mandat vorzeitig zurückgeben würde. Christoph Brederlow zieht sich nicht nur aus dem Kommunalparlament der Stadt Oldenburg, sondern gleich komplett aus der AfD zurück. Aus gesundheitlichen Gründen, wie die Partei verlauten ließ.
Resultierend aus den Ergebnissen der Kommunalwahl 2016 rückt nun mit Gerhard Vierfuß ein bekanntes Gesicht für die AfD in den Rat nach. Oft haben wir bereits über das Gründungsmitglied der Oldenburger AfD berichtet. Der folgende Artikel soll angesichts der neuen öffentlichen Bedeutung des Oldenburger Hardliners die bisherigen Recherchen und neue Erkenntnisse zusammenfassen.
Gerhard Vierfuß am 10.06.2018 in Papenburg während einer Kundgebung der AfD und des sog. „Frauenmarsch Niedersachsen“. Auf dem Schild eine Parole, die aus der Neonaziszene stammt
Bild: recherche-nord
„Der rechte Anwalt“: Aktiv für die „Identitäre Bewegung“
Schon im Jahr 2013 nahm Gerhard Vierfuß an der Gründungsveranstaltung des damaligen AfD-Kreisverbands Oldenburg-Stadt/Ammerland im Oldenburger Ratskeller teil. Bereits seit 2007 war Vierfuß zudem für die nationalkonservative Wochenzeitung „Junge Freiheit“ tätig und publizierte dort auch Texte. Vierfuß wurde schnell zu einem der Sprecher des AfD-Kreisverbands und trat auch zur Kommunalwahl 2016 für die Partei an, was ihm nun zu einem Sitz im Stadtrat verhilft.
Doch auch abseits der AfD ist Vierfuß in einschlägigen Kreisen aktiv. Ganz im Sinne der bundesweiten Praxis ignoriert der Oldenburger einen Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-AfD und arbeitet mit der völkisch-rassistischen „Identitären Bewegung“ zusammen. Dies geschieht beispielsweise auf der beruflichen Ebene. Als Rechtsanwalt vertrat Vierfuß die „Identitären“ in einem Prozess gegen das Bundesinnenministerium, um eine Einstufung der „IB“ als „rechtsextremistisch“ und somit eine Nennung in den Verfassungsschutzberichten der Bundesländer zu verhindern. Bekanntlich ohne Erfolg, die „Identitären“ werden mittlerweile vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ geführt.
Im August 2018 nahm Gerhard Vierfuß an dem „IB“-OpenAir „Europa Nostra“in Dresden teil und hielt dort einen Vortrag.
Titelbild des Videomittschnitts von Vierfuß‘ Vortrag auf einem Open Air-Festival der „Identitären Bewegung“ im August 2018 in Dresden
Quelle: youtube
Auch bei einer versuchten Demonstration der „IB“ in Halle/Saale am 20.Juli 2019 trat Vierfuß als Rechtsbeistand des Versammlungsleiters in Erscheinung. Ebenfalls erfolglos, die Demonstrationsroute wurde von Antifaschist*innen erfolgreich blockiert.
Doch Vierfuß‘ Engagement für den völkisch-nationalistischen Scheinriesen ist nicht nur beruflicher Natur. So besuchte Vierfuß als Privatperson eine Demonstration der „IB“ in Berlin und macht auch in sozialen Netzwerken keinen Hehl aus seiner Sympathie für die „Identitären“.
AfD-Aktivist Gerhard Vierfuß während der Demonstration der „Identitären Bewegung“ am 17.06.2017 in Berlin
Bild: Oskar Schwartz
Auch den bekannten Göttinger Neofaschisten Lars Steinke vertrat Vierfuß als Rechtsanwalt. Im Februar 2018 sollte Steinke wegen zu radikaler Aussagen und Vernetzungen vom Bundesparteitag der „Jungen Alternative“, der Jugendorganisation der AfD, ausgeschlossen werden. Steinke, der mit bekannten Neonazis de Gruppierung „Thügida / Volksbewegung Thüringen/Niedersachsen“ gründete, klagte mit Gerhard Vierfuß als Rechtsbeistand. Später sollte Steinke den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg aus „Verräter“ bezeichnen und wurde deswegen aus der AfD ausgeschlossen. Der niedersächsische Landesverband der „JA“, den Steinke maßgeblich mitprägte, wurde vom Bundesverband wegen zu radikaler Inhalte aufgelöst.
Mittlerweile versucht Vierfuß, der mittlerweile von seiner Wohnung aus arbeitet, sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter als „der rechte Anwalt“ zu profilieren.
Es wird also deutlich, dass Gerhard Vierfuß sich klar zum radikalen völkischen „Flügel“ der AfD um Andreas Kalbitz und Björn Höcke zählt. In den sozialen Medien macht er hieraus auch keinen Hehl. Im Gegenteil: Vierfuß erklärt auf seiner Facebookseite, dass alles, was Herr Höcke mache, grundsätzlich unumstritten sei.
„Germanen“, „Rasse“ und „Genetik“
Dass es hierbei durchaus nennenswerte Schnittmengen zur klassischen Ideologie des Nationalsozialismus gibt, zeigen die Personen, die Gerhard Vierfuß mit dem Verein „Oldenburger Kreis“, dem er vorsitzt, vernetzen möchte. So ist es kein Zufall, dass die erste öffentliche Veranstaltung des „Oldenburger Kreis“ Ende August 2018 mit dem Referenten Karl-Heinz Weißmann begangen wurde. Weißmann ist Mitbegründer des völkischen „Institut für Staatspolitik“, das seit mehreren Jahren das Milieu der sogenannten „Neuen Rechten“ um die AfD und die „Identitäre Bewegung“ mit offen auftretenden Neonazis vernetzt. Auch wenn Weißmann sich mit dem Kopf des „IfS“, Götz Kubitschek später überwarf, steht er weiterhin zu den dort propagierten völkisch-nationalistischen Inhalten.
Karl-Heinz Weißmann und Gerhard Vierfuß während der Veranstaltung des „Oldenburger Kreis“ am 26.08.2017
Bild: recherche-nord
Ebenfalls beim „Oldenburger Kreis“ dabei ist Andreas Vonderach. Der Oldenburger Publizist schreibt in der „Sezession“, die an das „Institut für Staatspolitik“ angebunden ist, über das „Volk der Germanen“ und darüber hinaus offen von „genetischen Sachverhalten im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Fragen“. Dort bezieht er sich auch positiv auf das Buch „Rasse, Evolution und Verhalten“ des kanadischen Rassisten J.Philippe Rushton. Rushton spricht von „Hauptrassen“ und argumentiert dort unter anderem mit früher Geschlechtsreife, sexueller Aktivität, Größe der Genitalien und folglich auch mit der Ausbreitung dieser „Rassen“. Offenbar Inhalte, die Gerhard Vierfuß teilt. Nicht umsonst arbeitet er offen mit Andreas Vonderach zusammen. Bei einem rassistischen „Frauenmarsch“ im emsländischen Papenburg trat Vierfuß zudem mit einer Stofftasche des „Antaios“-Verlags auf, der ebenfalls im „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda ansässig ist.
Andreas Vonderach während der Veranstaltung des „Oldenburger Kreis“ am 26.08.2017
Bild: recherche-nord
Solidarität und Zusammenarbeit mit Holocaustleugner*innen – nicht nur „Kontakte“, sondern purer Antisemitismus
Ebenfalls nennenswert sind Vierfuß‘ antisemitische Vernetzungen. Dass 2016 mit Imke Barnstedt eine bekannte Holocaustleugnerin an einer AfD-Kundgebung in der Oldenburger Innenstadt teilnahm, ließ aufmerken. Doch der Besuch Barnstedts war keineswegs ein Einzelfall. Bei einem rassistischen „Frauenmarsch“ der AfD in Papenburg war Barnstedt ebenfalls anwesend – und offenbar gemeinsam mit den Vertreter*innen der Oldenburger AfD angereist. Auch der „Volkstrauertag“ im Jahr 2018 belegt die stetigen Verbindungen von Vierfuß und der AfD zu der Holocaustleugnerin. Gemeinsam besuchte man eine Gedenkveranstaltung in Oldenburg.
Gemeinsame Teilnahme am „Volkstrauertag“ 2018: Ganz rechts: Imke Barnstedt, daneben Gerhard Vierfuß. Mit Gehhilfe: Thomas Hoyer. Ganz links im Bild: mit Fahrrad eine AfD-Aktivistin, die ebenfalls beim „Oldenburger Kreis“ und bei einer „OLGIDA“-Kundgebung vor Ort war.
Auch die bundesweit bekannte, derzeit inhaftierte notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel wurde von Gerhard Vierfuß (wie auch von anderen lokalen AfD-Mitgliedern) unterstützt. Haverbeck-Wetzel ist eine Ikone in der militanten Neonaziszene und hat nie einen Hehl daraus gemacht, selbst dem Nationalsozialismus nahe zu stehen. Eben jede Nationalsozialistin und Holocaustleugnerin unterstützte Vierfuß in einer Onlinepetition, die aus der Neonaziszene initiiert wurde, und forderte ihre Freilassung.
Diese Bezüge sind keineswegs zufällig. Vierfuß äußert sich in den sozialem Medien selbst antisemitisch, etwa indem er von einer vermeintlich „tragenden Rolle von Juden bei der Auflösung aller Dinge“ fantasiert und sich dabei auf den Antisemiten Kevin MacDonald bezieht. Auch raunt Vierfuß, man solle sich „den Anteil von Juden, die innerhalb der UN massiv für Migration eintreten“ anschauen. Wenig subtil wird hier die Verschwörungstheorie des „großen Austauschs“ genährt, nach der die „deutsche Bevölkerung“ gegen Geflüchtete ausgetauscht werden solle. Vermeintlich gesteuert von finsteren Mächten im Hintergrund, die Vierfuß hier offen benennt. Passend dazu teilt Gerhard Vierfuß via Twitter auch ein verschwörungsideologisches Video über den „Adel, die Rothschilds & das Klimamärchen“. Für Vierfuß „Analysen dessen, was eigentlich geschieht in der Welt“, die er „zumindest teilweise sehr überzeugend“ findet. Grundsätzlich ist Vierfuß der Ansicht, dass sich „Juden sich im Durchschnitt wesentlich weniger loyal verhalten als andere“.
Im Übrigen äußert sich auch Vierfuß‘ Mitstreiter Andreas Vonderach unverblümt antisemitisch, etwa wenn er jüdische Menschen als „ökonomische und intellektuelle Elite“ beschreibt. „Die Ostjuden“ hätten „ihre einseitige Züchtung auf Intelligenz mit besonders vielen Erbkrankheiten erkauft“.
Ganz in diesem Sinne enthält auch Vierfuß‘ Sprache NS-Bezüge, etwa wenn er in sozialen Netzwerken von einer „Entartung der sozialen Marktwirtschaft“ oder von der grenzenlosen „Verlogenheit unserer Systempolitiker“ schreibt.
Auch im Bezug auf Homosexualität ist Vierfuß rabiat. So bezeichnet er Homosexuelle als „weniger glückliche Zeitgenossen“ mit einer „rezessiv vorhandenen genetischen Erkrankung“.
In diesem Artikel könnten wir unzählige weitere Belege dafür anführen, warum wir Gerhard Vierfuß als völkischen Hardliner einschätzen. Zu nennen wären etwa die Bürogemeinschaft mit dem „alten Burschenschafter“ und Rechtsanwalt Volker F. Felmy, die bis zu dessen Ruhestand Bestand hatte, die Kontakte zum „alten Burschenschafter“ und Parteifreund Thomas Hoyer, die Lobeshymnen auf den ungarischen Regierungspräsidenten Viktor Orban, den Versuch in Oldenburg einen Ableger der „Gelbwestenproteste“ zu etablieren und vieles mehr.
Vierfuß selbst verkündet bei Twitter: „Langfristig muss diese BRD durch eine Neugründung des deutschen Staates mit neuer Verfassung überwunden werden“. Wie ein solcher Staat aussehen würde, lässt sich leicht erahnen.
Der Einzug Vierfuß in den Oldenburger Stadtrat, der bei der Ratssitzung am 30.09.2019 um 18:00 Uhr im PFL offiziell vollzogen werden wird, bedeutet, dass es zukünftig einen gut vernetzten völkischen Rassisten und Antisemiten im Oldenburger Kommunalparlament geben wird.