Blut, Brüder, Nationalsozialismus

Das Phänomen ist keinesfalls neu: Während klassische neonazistische Kameradschaften und Parteien zunehmend an Bedeutung verlieren, organisieren sich immer mehr Neonazis in Rockerclubs oder gründen selbsternannte „Bruderschaften“. Dass diese Strukturen attraktiv für dieses Klientel sind, liegt auf der Hand: Feste Strukturen, klare Hierarchien, ein martialisches und tatsächlich gewalttätiges Auftreten, Männlichkeitskult, Dominanzbestrebungen und nicht zuletzt der Wunsch nach lukrativen Geschäften.

Der folgende Artikel soll ein kurzes Schlaglicht auf den Oldenburger Ableger der selbsternannten „Bruderschaft“ „Blood Brother Nation“ geben.

Das „Antifa Infoblatt“ Nr. 110 vom 16.06.2016 schrieb zu neonazistischen „Bruderschaften“:

„Brigade 8“, „Nordic 12“, „Blood Brother Nation“

Die „Brigade 8“, kurz B8, wurde im Jahr 2012 vom Neonazi Christian Muff aus Schleswig gegründet und zählt zu den umtriebigsten Neonazi-Bruderschaften in Deutschland. Sie hat einen Ableger in der Schweiz und unterhält nach eigenen Angaben Chapter in sieben Bundesländern. Als „General“ der „Brigade 8“ tritt derzeit Marc Jekat aus Barsinghausen (bei Hannover) auf. Kernregion der B8 ist Bremen und Umland. Durch den Umzug des Bremer Neonazis Lutz M. nach Weißwasser entstand in Ostsachsen der zweitgrößte Ableger der B8. Schnell fand er in und um Weißwasser „Brüder“, die danach drängten, mit Rangabzeichen der B8 ausstaffiert zu werden. Auf dem Grundstück von Lutz M. befindet sich das Clubheim des Chapters Weißwasser, der „Brigade-Bunker“, in dem regelmäßig kleinere Konzerte stattfinden, beispielsweise mit dem B8-Liedermacher Mario Graviat (aka „Brauni“) aus Oberfranken.

Für einzelne Mitglieder war die B8 das Sprungbrett in führende Rockergruppen. So schloss sich Sebastian G. von der B8-Sektion Hannover 2014 den Hells Angels an und Christian Muffs „Karriere“ führte 2015 in den „United Tribuns MC“, den er jedoch nach wenigen Monaten aufgrund eines Fehlverhaltens verlassen musste.
Mitglied der „Brigade 8“ war auch der Bremer Andreas Lohei, dessen Neonaziband „Legion Germania“ der B8 eine eigene Hymne schrieb. Lohei ist das Beispiel eines Neonazis, der immer groß herauskommen und ganz nach oben wollte, es jedoch nie schaffte. Vor einigen Jahren suchte er Anbindung an die Bremer Hammerskins, bekam mit ihnen aber Ärger, da er seine damalige Band „Endlöser“ unautorisiert als Hammerskin-Band präsentiert hatte. Auch in der B8 hielt es Lohei nicht lange. Er verließ die Gruppe und schuf sich mit „Nordic 12“ seine „eigene“ Bruderschaft, die ebenfalls im Bremer Raum ansässig ist. „Nordic 12“ kann heute auf zwei bis drei Dutzend Mitglieder verweisen, über das Label „Nordic Valkyrien“ sind auch Frauen an die Struktur angebunden.

Ein enges Verhältnis besteht zwischen „Nor­dic 12“ und der Bruderschaft „Blood Bro­ther Nation“ (BBN), die ihre deutschen Schwerpunkte in den Regionen Oldenburg, Magdeburg und Frankfurt an der Oder hat. Ein Exponent der BBN in Deutschland ist der Rathenower Thomas Lange, der als Liedermacher „Teutonicus“ (auch: „Toitonicus“) bei Demonstrationen des extrem rechten „Bür­gerbündnis Deutschland“ in Rathenow auftritt.
Die BBN gründete sich in der Provinz Gävleborg in Schweden und verbreitete sich von dort aus in andere Länder. Anders als manch andere neonazistische Bruderschaft bekennt sich die BBN offen zur „White Power“-Bewegung. In ihrem Selbstverständnis heißt es: „Wir sind eine weiß-nationalistisch denkende Bruderschaft und erwarten von jedem Mitglied mit Vernunft danach zu handeln.“ In Schweden ist die BBN mit den dortigen Strukturen des „Blood & Honour“-Netzwerkes verbunden. Die Rekrutierung von Mitgliedern findet unter anderem in dieser Szene. Das Label „Sniper-Records“, welches seit vielen Jahren B&H-Bands verlegt, ist für das Merchandise der BBN zuständig.

Obwohl der oben zitierte Artikel bereits vier Jahre alt ist, sind die Strukturen, auch in Oldenburg, weiterhin existent, auch wenn ihre Mitglieder ein offenes Auftreten in Oldenburg scheuen und es in der Öffentlichkeit in letzter Zeit recht ruhig um sie geworden ist.

Um die Strukturen der „Blood Brother Nation“, ihre Vernetzungen und Handlungsschwerpunkte analysieren zu können, lohnt ein Blick auf die lokalen Protagonist*innen.

Marcel Kasbera

Bindeglied zwischen verschiedenen Gruppierungen ist der 1982 im thüringischen Bad Tennstedt geborene Marcel Kasbera. Zur Gründung der sogenannten „Brigade 8“ wurde Kasbera zum „General“ der Region Niedersachsen-Bremen.
Wie lange er diese Position inne hatte ist nicht komplett nachvollziehbar. 2014 zeigte er sich auf einem Bild mit einem Pullover der Parallelstruktur „Nordic 12“ und trug zum einjährigen Bestehen 2015 auch deren Kutte.
2016, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des oben zitierten AIB-Artikels, war Marc Jekat aus Barsinghausen schließlich General der „Brigade 8“ in Niedersachsen-Bremen. Zu diesem Zeitpunkt tauchten auch erstmals Bilder von Kasbera in der Kutte der „Blood Brother Nation“ auf. Im Gegensatz zu anderen, allerdings in weißer Weste. In diesem Zeitraum muss also ein Wechsel stattgefunden haben.

Marcel Kasbera wohnt zusammen mit seiner Frau Monja und einem Sohn im Oldenburger Stadtteil Bürgerfelde. Zu ihrer Hochzeit im Juli 2016 waren „Nordic 12“-Mitglieder aus Bremen sowie „BBN-Brüder“ aus Schweden anwesend. Besonderheit: Die Rechtsrockband „Randgruppe Deutsch“ besang die Hochzeit in einem eigenen Lied, welches Kasbera auf seinem Youtube Kanal „M. Kresse“ veröffentlichte.

Die besungene Hochzeit war nicht der einzige Besuch von Neonazis aus Schweden: Es besteht ein dauerhafter Kontakt mit gegenseitigen Besuchen. Ein größeres Treffen fand im September 2016 im Garten der Kasberas statt.


Besuch von schwedischen Neonazis in Oldenburg-Bürgerfelde im September 2016
Quelle: Social Media

Im Alltag hält Marcel Kasbera sich zurück, was politische Arbeit vor Ort angeht. Dennoch gab es Berichte von Betroffenen, in denen von Pöbeleien Kasberas gegen Menschen, die er für „Linke“ hielt, die Rede ist.

Außerdem bemerkenswert: In der umfangreichen Sammlung an T-Shirts mit Neonazisymbolik finden sich auch zahltreiche Motive des in Deutschland verbotenen Neonazinetzwerks „Blood and Honour“.

Monja Kasbera (geb. Retzkowski)

Die 1979 in Gera (Thüringen) geborene BBN-Supporterin ist seit dem 22.07.2016 mit Marcel Kasbera verheiratet. Seit 2001 arbeitet sie als Kurierfahrerin und kommt somit mit Daten und Anschriften zahlreicher Menschen in Berührung.

Im Jahr 2012 besuchte Monja Kasbera zusammen mit anderen Oldenburger BBN-Mitgliedern das sogenannte „Kuggnäs Rechtsrock Festival“ südlich von Stockholm. Dabei trafen sie auf Mitglieder von schwedischen BBN-Gruppen, mit denen bis heute ein reger Austausch besteht. Untergebracht waren sie im Haus ihres schwedischen „Kameraden“ Tim Björnsen.


Oldenburger BBN-Neonazis zu Besuch in Schweden
Quelle: Social Media

Ebenso wie ihr Mann tritt Monja Kasbera teilweise mit Pöbelein gegen vermeintliche Linke auf.
Ansonsten ist sie viel bei Ebay Kleinanzeigen und in Facebook-Flohmarktgruppen aktiv und bietet von Kleidung über Aschenbecher in Drachenform bis zum Kühlschrank verschiedene aussortierte Dinge an.

Josef Judisch


Rechts: Judisch während einer verschwörungsideologischen Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen

Josef Judisch wurde im März 1965 geboren und besuchte die Grund- und Hauptschule im emsländischen Klein Berßen.

Judisch arbeitet als Fahrer für einen Entsorgungsbetrieb in der Nähe vom Oldenburger Bahnhof[1].
Zeitweise soll er auch als Türsteher in der Kneipe „Big Ben“ in der Wallstraße in der Oldenburger Innenstadt gearbeitet haben. Besucher*innen erinnern sich möglicherweise an seine markante „Aryan“-Tätowierung am Hals. Das „Big Ben“ geriet bereits in den Jahren 2015 und 2016 wegen rassistischer Einlasspolitik in die Kritik.

Seine neonazistische Gesinnung trägt Judisch auch an anderen Stellen deutlich sichtbar auf seiner Haut zur Schau. So zeigt er offen seine Zugehörigkeit zur „Blood Brother Nation“ sowie Abbildungen wie ein SS-Symbol oder eine sogenannte „Schwarzen Sonne“.

Auf der Seite „BikerOrNot“ besteht ein Profil der „Blood Brother Nation“ mit einem Bild von Josef Judisch in Kutte und mit gut sichtbarem Hinterkopftattoo, das einen Wikinger und den Schriftzug „Odin“ zeigt. In den Kommentaren wird, neben Hinweisen auf inzwischen gelöschte Internetseiten, auch eine sichere und „weiße“ Weihnacht gewünscht.

Darüber hinaus gehörte auch Judisch zu der Oldenburger „BBN“-Reisegrupe, die 2012 um „Kuggnäs“-Rechtsrockfestival nach Schweden fuhr.

Zusammen mit dem ehemaligen Hooliganführer Benjamin Fröhle nahm Judisch am 16.05.2020 an der verschwörungsideologischen sogenannten „Menschenwürde Demo“ auf dem Gelände der Weser-Ems-Halle teil. Genau wie die Organisator*innen fiel Judisch bisher nicht mit seinem Engagement für Menschenrechte auf.

Julian Klein

Der 1993 geborene Julian Klein ist seit 2012 Mitglied der „Blood Brother Nation“. In dieser Zeit fiel er bereits als Anhängsel des NPD-und Kameradschaftsaktivisten Daniel Gawenda auf.

Klein ist großer Fan nationalsozialistischer Symboliken. Neben Shirts von diversen Nazibands (zum Beispiel hier) und einem das ihn als Supporter von „Blood & Honour“ ausweist, hat er in seiner Wohnung eine SS-Fahne an der Wand. Neben weiteren Tattoos trägt er auf der Brust ein Wappen in Reichsfarben mit SS-Totenkopf.


Blick in Julian Kleins Wohnzimmer
Quelle: Social Media

2012 und 2013 nahm Julian Klein ebenfalls am Rechtsrockfestival „Kuggnäs“ in Schweden teil. Im Gegensatz zum Vorjahr waren sie 2013 nicht bei „Kameraden“ untergebracht, sondern zelteten auf dem Festivalgelände. 2012 traf Klein Hannes Ostendorf, den Sänger der Nazi-Band „Kategorie C“.


Fanfoto: Julian Klein zusammen mit Hannes Ostendorf, Sänger der Bremer Neonaziband „Kategorie C“ während eines Rechtsrockfestivals 2012 in Schweden
Quelle: Social Media

Ebenfalls 2012 wurde Julian Klein morgens in Oldenburg von Unbekannten überfallen. Er vermutete Linke hinter dieser Attacke und schwor lauthals Rache. Bis auf einen Angriff durch seinen damals bei den „Red Devils“, einem Anhängsel der „Hells Angels“ aktiven Bruder Hendrik Klein aufs Alhambra, welcher für ihn in einer halsbrecherischen Flucht endete, passierte aber nichts.

2016 nahm Julian Klein am oben erwähnten Treffen mit schwedischen Neonazis bei Kasberas im Garten teil.

2017 war Klein zusammen mit seinem Kameraden Christoph Wels bei einem medial viel bachteten Neonazikonzert in Themar.

Anfang 2018 entstand ein Foto von Julian Klein, Christoph Wels und einer weiteren Person in Kutten der „Blood Brother Nation“. Dieses Bild wurde daraufhin in weiten Teilen der BBN Szene als Titelbild in sozialen Netzwerken verwendet.

Am 05.05.2018 war Klein zusammen mit Christoph Wels bei einem AfD-nahen „Frauenmarsch“ in Delmenhorst anwesend.


Christoph Wels und Julian Klein (rechts) beim rassistischen „Frauenmarsch“ in Delmenhorst
Quelle: recherche-nord

Ebenfalls 2018 tauchte Klein am Rande einer großen Bündnisdemo gegen einen glechzeitig in Oldenburg statfindenden AfD-Parteitag auf. Angesichts der gut 10.000 Teilnehmer*innen traute er sich dann wohl doch nicht in Aktion zu treten, obwohl er online um markige Worte nicht verlegen ist.

Christoph Wels

Der am 1988 geborene, aus dem sachsen-anhaltinischem Klötze kommende Christoph Wels zog erst im August 2019 nach Oldenburg. Zuvor war er bereits in Vechta als Mitglied von „Blood Brother Nation“ sowie der Hooligangruppe „Querschläger“ aufgefallen.

2017 war er zusammen mit Julian Klein Teilnehmer beim Neonazikonzert in Themar (siehe oben),

Während seiner Teilnahme am „Frauenmarsch“ in Delmenhorst fiel Wels durch das Abfotografieren und Anpöbeln von Journalist*innen auf.


Gepöbel während eines AfD-nahen „Frauenmarsches“ in Delmenhorst
Quelle: recherche-nord

Ende 2018 posierte er mit einem offen neonazistischen T-Shirt auf einem Gruppenbild mit den Gewinnern einer „Fight Night“, eines Kampfsportevents, in Vechta. In diesem Kontext veröffentlichte er auch eine Grafik mit neonazistischen Symboliken und der Losung „Bruder für Bruder; Ehre, Stolz und Treue“.

Am 09.11.2019 nahm Christoph Wels darüber hinaus zusammen mit Neonazis der emsländischen Guppierung „Amsivaren“an einer Solidaritätsdemonstration für die verurteilte und inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel in Bielefeld teil.


Solidaritätsdemonstration für eine verurteilte Holocaustleugnerin
Quelle: recherche-nord


Am 15.02.2020besuchte Wels zusammen mit Mitgliedern der „Brigade 8 Salzwedel“ den sogenannten „Trauermarsch“ in Dresden teil und betrauerte die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im zweiten Weltkrieg.

Wels gilt als aktionsorientiert und könnte sich in Zukunft weniger zurückhaltend präsentieren als andere Oldenburger BBN-Mitglieder. Zudem verfügt er über ein breites Netz an Kontakten, von der emsländischen Kameradschaftsszene, Vechtaer Hooliganstrukturen bis hin zur Bremer „Brigade 8“ Abspaltung „Nordic 12“.

Kai und Nadine Pfohlmann

Kai Pfohlmann ist ebenfalls Teil der Oldenburger BBN-Struktur, obwohl beide vermutlich in Bremen wohnen. Zusammen mit seiner Frau Nadine Pfohlmann war er 2012 (siehe unten) und 2013 mit in Schweden.


Kai Pfohlmann (links im Bild) bei einem Neonazitreffen 2012 in Schweden
Quelle: Social Media


Weitere

Auch wenn der Ideologie entsprechend Frauen in der BBN- „Bruderschaft“ nicht Mitglied werden dürfen, gibt es doch mit Monja Kasbera und Nadine Pfohlmann Frauen, die aktiv sind, auch ohne formal Mitglieder zu sein. Dazu gehören auch Catrin Lietz aus Hude sowie die Oldenburgerinnen Jennifer Keller und Natalie Ramke.

Vernetzung

„Blood Brother Nation“ versteht sich als internationales Netzwerk. Dementsprechend haben auch die Oldenburger Vertreter*innen Kontakte in das Milieu der sogenannten „Bruderschaften“, speziell nach Schweden.

Darüber hinaus bestehen gute Verbindungen zu Peer und Franziska Koss aus Frankfurt/Oder. Peer Koss betrieb eine wegen rassistischer und menschenverachtender Hetze medial beachtete Facebookseite mit dem Titel „Nationale Weiße Hoffnung 2.0“.

Peer und Franziska Koss waren zumindest 2013 ebenfalls in Schweden, zusammen mit den Magdeburgern Thomas Finke und Steffen Förster, dem Cloppenburger Lars Mueller und der Gruppe „Nordic12“ aus Bremen.


Franziska und Peer Koss zusammen mit der Oldenburgerin Nadine Pfohlmann in Schweden
Quelle: Social Media

Fazit

Mit „Blood Brother Nation“ existiert in Oldenburg eine Neonazistruktur, die nicht durch direkte politische Arbeit auffällt. Man wird wohl eher nicht erleben, dass „BBN“ Flyer verteilt oder eine Demonstration organisiert. Eine solche „Bruderschaft“ hat jedoch andere Zwecke: Sie ist wichtiger Teil neonazistischer Infrastruktur, gerade im Rechtsrockbereich. Sie bindet Neonazis und festigt sie ideologisch. Und natürlich geht von Verfechter*innen einer gewaltvollen Vernichtungsideologie auch ganz real eine Gefahr aus.
Gerade nach den deutschlandweiten Verboten der Netzwerke „Blood and Honour“ im Jahr 2000 sowie dessen militantem Arm „Combat 18“ 20 Jahre später sucht die Szene nach Ersatzstrukturen. „Blood Brother Nation“ ist in dieser Hinsicht sicherlich hilfreich, die Kontakte bestehen ohnehin.