Die niedersächsische Kommunalwahl 2016 liegt hinter uns. Auch in Oldenburg hat sich die gesamtgesellschaftlich zunehmende völkische Menschenfeindlichkeit im Wahlergebnis widergespiegelt.
Im Folgenden wollen wir einen Überblick über das Wahlergebnis und den zurückliegenden Wahlkampf der Parteien AfD, ALFA und NPD geben.
Die Ergebnisse der Oldenburger Kommunalwahl in Kürze
Die völkisch-nationalistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) kam aus dem Stand auf 4,71 % der Stimmen. Ein Ergebnis, das landesweit unter dem Durschschnitt liegt. Die AfD trat aber nur in vier von sechs Wahlkreisen an. Bei einem flächendeckenden Antritt wäre mit einem höheren Ergebnis zu rechnen gewesen. Doch auch in den vier Wahlbereichen entfielen insgesamt 9.768 Stimmen auf die AfD, bei bis zu drei Stimmen pro Wähler*in. Genug, um künftig mit den beiden Vertreter*innen Lidia Bernhardt und dem Studenten Christoph Brederlow im Oldenburger Stadtrat vertreten zu sein.
Künftig für die AfD im Oldenburger Stadtrat: Lidia Bernhardt und Christoph Brederlow
Bild: recherche-nord
3 Mandate konnte der AfD-Kreisverband „Stadt Oldenburg/Ammerland“ im Oldenburger Nachbarlandkreis gewinnen. Mit Andreas und Birgit Stadlik sowie Hartwin Preussner wird die Partei künftig im Ammerland vertreten sein.
Die AfD-Abspaltung ALFA entsendet mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Oldenburger AfD, Dr. Hans Hermann Schreier, künftig einen Vertreter in den Stadtrat der kreisfreien Stadt, gewählt von 1.978 Stimmen. Das entspricht einem Gesamtergebnis von 1,91%.
Im Vorfeld hatte sich die Partei, deren aktiver Kreis zu einem überwiegenden Teil aus Ex-AfD-Mitgliedern wie Dr. Hans Hermann Schreier, Susanne Schreier, Holger Wilzek oder Melanie Wever (Landkreis Oldenburg) besteht, ein höheres Ergebnis ausgemalt.
Links im Bild: Dr. Hans Hermann Schreier. Rechts: Dr.Hergen Frerichs, ALFA-„Spitzenkandidat“, der den Einzug in den Stadtrat verpasste
Viele lokale ALFA-Mitglieder waren zuvor in der AfD aktiv, teilweise auch im Vorstand
Ex-AfD-Vorstandsmitglied Hans Hermann Schreier (3.v.r.) zusammen mit AfD-Bundespolitikerin Beatrix von Storch, die unter anderem dadurch auffiel, dass sie an der Grenze auf Frauen und Kinder mit scharfen Waffen schießen lassen will
Ihr Mandat im Stadtrat verteidigen wollte die neonazistische NPD. Dieses Vorhaben scheiterte krachend. Lediglich 0,62% fuhr die NPD, die flächendeckend in Oldenburg antrat, ein. Dies bedeutet jedoch immer noch 1.286 Stimmen für eine nationalsozialistische Partei. Das Mandat im Oldenburger Stadtrat verlor NPD-Urgestein Ulrich Eigenfeld dennoch.
Der NPD-Unterbezirk Oldenburg konnte dennoch ein neues Mandat hinzugewinnen: Künftig sitzt mit Wolfgang Stöver aus Osterscheps ein NPD-Vertreter im Gemeinderat Edewecht (Ammerland). Stöver saß bereits von 1991 bis 1996 im Kommunalparlament.
Zurück im Edewechter Gemeinderat: Wolfgang Stöver aus Osterscheps. Der „Mann mit Mütze“.
Starke Bezirke für AfD, ALFA und NPD
Besonders starke Ergebnisse konnte die AfD in den Stadtteilen Krusenbusch und Kreyenbrück einfahren. Im Wahlbezirk 514 „Grundschule Krusenbusch“ erreichte die AfD für Oldenburg überdurchschnittliche 15,34 %. In den Wahlbezirken in Kreyenbrück erlangte die AfD bis zu 14,30 % der Stimmen.
Für die nationalsozialistische NPD hingegen lief die Wahl im Wahlbezirk 613 „Schulzentrum Eversten“ mit 1,98 % verhältnismäßig „erfolgreich“. Das könnte mitunter auch daran gelegen haben, dass die AfD dort nicht auf dem Wahlzettel stand. Auch die ALFA konnte in diesem Wahlbezirk ein überdurchschnittliches Ergebnis mit 3,19 % erreichen.
In Wahlbezirken in denen alle drei Parteien auf dem Wahlzettel standen, sahen die Ergebnisse in der Regel deutlich schlechterfür ALFA und die NPD aus. So fuhren diese beiden Parteien beispielsweise an der Schule am Bürgerbusch nur 0,08 % und 0,80 % ein, während die AfD hier auf 6,40 % kam. Dass alle drei Parteien um ein zumindest ähnliches Wähler*innenklientel konkurrieren, kann durchaus angenommen werden.
In Oldenburg-Krusenbusch holte die AfD ihr stärkstes Ergebnis
Bildquelle: http://wahlen.kdo.de
Dort wo die AfD nicht antrat, konnten NPD und ALFA punkten, wie z.B. an der Oberschule Eversten
Bildquelle: http://wahlen.kdo.de
Anders herum waren ALFA und NPD chancenlos, wo die AfD antrat
Bildquelle: http://wahlen.kdo.de
Ein Rückblick auf den Wahlkampf
Der Wahlkampf der Oldenburger AfD kam erst spät in die Gänge. Bereits im Vorfeld schaffte es die Partei nicht, genügend Unterstützer*innenunterschriften zu sammeln, um in allen sechs Wahlbezirken antreten zu können. Letztlich reichte es für den Antritt in vier Wahlbereichen.
Auch wurden die Direktkandidat*innen der Öffentlichkeit nicht vorgestellt. Lediglich kurz vor der Wahl wurde ein Foto der Kandidat*innen veröffentlicht, auf dem mit Christa Hoyer auch noch eine Person fehlte.
Auch Wahlplakate wurden nur sehr sporadisch aufgehängt. Informationsstände gab es ebenfalls nur vereinzelt und auch erst kurz vor der Wahl. Aus Parteikreisen wurde während des Wahlkampfs verlautbart, dass es auch innerhalb der lokalen AfD zu Unstimmigkeiten wegen des schwachen Auftritts kam.
Einer der wenigen Infostände der Oldenburger AfD
Antifaschistische Aktionen sorgen darüber hinaus dafür, dass die AfD nicht so richtig Lust auf einen aktiven Wahlkampf zu haben schien. Bestes Beispiel dafür ist eine Wahlkampfkundgebung, die von der AfD erst einen Tag zuvor bekannt gemacht wurde. Innerhalb eines Tages ließen sich rund 200 Gegendemonstrant*innen mobilisieren, die schlussendlich ca. 30 AfD-Sympathisant*innen gegenüber standen. Unter den Teilnehmer*innen befand sich auch die bekannte Oldenburger Holocaustleugnerin Imke Barnstedt, die während der Kundgebung einen freundschaftlichen Kontakt zu AfD’ler*innen pflegte.
Die bekannte Holocaustleugnerin Imke Barnstedt auf der AfD-Kundgebung am 09.September 2016
Foto: recherche-nord
Doch auch abseits der Kundgebung begleiteten Antifaschist*innen den Wahlkampf der AfD. So tauchten im gesamten Stadtgebiet Plakate auf, die kritisch Bezug auf die Inhalte der AfD nahmen.
Foto: recherche-nord
Auch Infostände wurden von antifaschistischen Protesten begleitet. Bereits im Vorfeld der Kommunalwahl gab es immer wieder Aktionen gegen die Stammtische der AfD, die in verschiedenen öffentlichen Lokalen stattfinden sollten.
Auch fanden im Vorfeld diverse Informationsveranstaltungen über das Programm und den völkischen Rassismus, die unsoziale Politik sowie den Antifeminismus der AfD statt.
Nicht umsonst sprach AfD-Sprecher und gescheiterter Kandidat Gerhard Vierfuß im Nachgang der Wahl davon, dass Oldenburg ein schwieriges Pflaster für die AfD sei.
Eben jenes „schwierige Pflaster“ war es wohl auch, das die Kandidat*innen dazu bewogen haben könnte, sich nicht der Öffentlichkeit vorzustellen. Lediglich Gerhard Vierfuß war im Vorfeld der Wahl omnipräsent. Die anderen Kandidat*innen Lidia Bernhardt, Christoph Brederlow sowie Thomas und Christa Hoyer, hielten sich versteckt. Kurz vor der Wahl erschien lediglich ein Foto der Kandidat*innen auf der AfD-Homepage. Darüber hinaus präsentierten sie sich für wenige Sekunden bei der Kundgebung auf dem Julius-Mosen-Platz. Ohne jedoch ein Wort zu sagen. Interessant dabei: Christa Hoyer mied die Öffentlichkeit komplett. Weder auf dem Foto, noch auf der Kundgebung war sie als Kandidatin zu sehen.
v.l.n.r.: Gerhard Vierfuß, Lidia Bernhardt, Christoph Brederlow, Thomas Hoyer
Foto: recherche-nord
Ein weiterer Blick lohnt sich auf scheinbare „Anti-Antifa“-Bestrebungen der AfD. Bei nahezu jeder Aktion, bei der Antifaschist*innen protestierten wurde versucht, diese zu fotografieren. Ob dies nur der Einschüchterung dienen sollte oder ob tatsächlich probiert wird, Daten über Antifaschist*innen zu sammeln, bleibt abzuwarten.
Gegendemonstrant*innen im Fokus der AfD
Foto: recherche-nord
Die Partei ALFA legte sch im Wahlkampf mehr ins Zeug als die AfD. Regelmäßige Informationsstände, von denen einer während des Christopher Street Day in Mitleidenschaft gezogen wurde, massive Plakatierung in der ganzen Stadt, Flyerverteilaktionen sowie ein „Haustürwahlkampf“ des Kandidaten Dr. Hergen Frerichs zeugen von einem motivierten Auftreten. Auch nahmen ALFA-Kandidat*innen im Parteishirt am „Brunnenlauf“ in Eversten teil. Dennoch gelang es nicht, sich wahrnehmbar zwischen AfD, CDU und FDP zu behaupten.
Ungeliebter ALFA-Stand am Rande des Christopher Street Day
Foto: oldenburger-rundschau.de
Hans Hermann Schreier beim „Brunnenlauf“ in Oldenburg-Eversten. Begleitet wurde er von vier Parteigenoss*innen
So langweilig wie die Kandidat*innen (Altersdurchschnitt knapp 62 Jahre) fiel auch der Wahlkampf der Oldenburger NPD aus. Infostände am Stadtrand, die meist nach unter eine Stunde wieder abgebaut wurden sowie Plakate zeugen nicht nur von mäßiger Motivation, sondern auch von einem kaum handlungsfähigen Wahlkampfteam. Und dann kam auch noch Pech im Wahlkampf dazu, als nicht nur ein Stapel NPD-Plakate in der Haaren landete, sondern auch noch ein NPD-Plakatierer an einer Straßenlaterne festhing.
NPD-Infostand im Nichts: v.l.n.r.: Ulrich Eigenfeld, Bernd Neumann, Daniel Gawenda
Das Motto „die Gegenstimme“ kam bei den Wähler*innen nicht gut an. In den letzten fünf Jahren brachte Eigenfeld lediglich einen eigenen Antrag im Stadtrat auf den Weg. Er zog sich sogar den Zorn der eigenen Szene zu, als er für einen Antrag einer Straßenumbenennung stimmte
Ansonsten galt für die aufgestellten NPD-Kandidat*innen das selbe wie für die Besetzung des Vorstands des Unterbezirks: Das letzte Aufgebot wurde mobilisiert. Alte Aktivisten wie Bernd und Daniel Neumann wurden reaktiviert, ebenso wie die betagte Heidemarie Scheumer (76 Jahre alt). Auch die NPD verzichtete darauf, ihre Kandidat*innen den Wähler*innen vorzustellen.
Erwähnenswert ist ansonsten noch die Tatsache, dass die Kameradschaft „Freies Oldenburg“, nachdem sie eine Zeit lang öffentlich mit der AfD flirtete, dann doch die Oldenburger NPD im Wahlkampf unterstützte. Das mag vor allem darin begründet sein, dass die „Kameradschaft“ vorrangig aus Eckhard Aden und Daniel Gawenda besteht. Zwei Personen, die schon seit vielen Jahren für die NPD aktiv sind.
Die AfD und ihre öffentlichen Plattformen
Im Zuge des Wahlkampfes konnte sich die AfD auf einen zuverlässigen Partner verlassen: Die Nordwestzeitung, die der Partei immer wieder ein Forum bot. Egal, ob es um den Gegenwind für die AfD im Wahlkampf ging, um Presseerklärungen, die teilweise wortwörtlich abgedruckt wurden oder um Veranstaltungsankündigungen. Die NWZ bot der Partei eine gebührende Plattform und machte damit eine völkisch-nationalistische, rassistische und antifeministische Partei salonfähig.
Auch wurden diverse Leser*innenbriefe von der NWZ veröffentlicht, teilweise mit absurden Inhalten. So bot die Oldenburger Tageszeitung unter anderem der bekannten Verschwörungstheorie Raum, nach der Antifaschist*innen mit einem „Demogeld“ für ihre Proteste bezahlt werden würden.
Auch bei mehreren Podiumsdiskussionen wurde mit Gerhard Vierfuß ein Sprecher der AfD eingeladen und konnte somit öffentlich für die menschenverachtenden Positionen der AfD werben. So sprach er beispielsweise bei einer Veranstaltung der interkulturellen Arbeitsstelle IBIS sowie des Forums für Migration und Integration in seinem Eingangsstatement von einer vermeintlichen „Flüchtlingsinvasion“. Wohlgemerkt bei einer Veranstaltung, die unter dem Motto „Integration, Toleranz, Teilhabe“ stand.
Fazit
Aus antifaschistischer Perspektive lässt sich feststellen, dass sich Engagement gegen rassistische Organisierung lohnt. Durch konsequente Interventionen, zum Beispiel gegen die OLGIDA-Kundgebungen, gegen tendenziell rassistische Anwohner*innen in den Stadtteilen Etzhorn und Eversten, gegen die „Bürger aus der Mitte Oldenburg“, gegen Versuche der Gründung einer rassistischen „Bürgerwehr“ sowie gegen die AfD-Stammtische konnten rassistische Organisierungsversuche frühzeitig unterbunden werden. Somit konnte der AfD frühzeitig ein gewisser Teil ihres Nährbodens entzogen werden. Durch Aktionen im Wahlkampf konnte darüber hinaus klar gemacht werden, dass die Inhalte der AfD keine Themen sind, über die gleichberechtigt diskutiert werden kann. Es geht um menschenverachtende Positionen, denen entschieden entgegengetreten werden muss. Eine Diskussion würde völkische, rassistische, antifeministische und nationalistische Positionen als diskutierenswert legitimieren.
Protest gegen eine geplante „Anwohnerversammlung“ vor dem Stadthotel Eversten im November 2015
Trotz spürbarer antifaschistischer Erfolge bleibt auch festzustellen, dass in Oldenburg mehr als 7% der Wähler*innen ihre Kreuze bei Parteien AfD, ALFA und NPD gemacht haben. Das entspricht insgesamt 15.220 Stimmen, wobei jede*r Wahlberechtigte*r 3 Stimmen zur Verfügung hatte.
Es ist also einen deutliches Potential an rassistischen Wähler*innen vorhanden. Und auch das Gesamtergebnis der AfD wäre höher ausgefallen, wenn sie in allen Wahlbereichen angetreten wäre.
Es stellt darüber hinaus für uns keine neue Entwicklung dar, dass es in der Bevölkerung eine rassistische Grundstimmung gibt. Sie trat nur in der letzten Zeit offener zu Tage und hat mit der AfD eine Partei bekommen, die frei von dem „Nazi-Image“ der NPD für viele Menschen wählbar ist.
Fatalerweise ist auf Bundesebene festzustellen, dass sämtliche bürgerliche Parteien, allen voran CDU/CSU und die SPD Zugeständnisse an den rassistischen Mob machen und deren Forderungen teilweise übernehmen. So veröffentlichte die CSU im September dieses Jahres ein Positionspapier, das unter anderem Zuwandernden aus dem „christlich-abendländischen Kulturkreis“ Vorrang geben soll und eine Obergrenze für Flüchtende fordert. Die AfD hat es geschafft, rassistische Positionen zu legitimieren und salonfähig zu machen.
Es ist also weiterhin vielfältiges Engagement gefragt. Sei es gegen die AfD, NPD, ALFA oder rassistische Organisationsversuche in den Stadtteilen.